Der letzte Satz des neuen Romans: Es ist geschafft! Wirklich?

Der letzte Satz ist getippt. Noch den Punkt dahinter und durchschnaufen: Es ist geschafft! Ein Jahr oder noch länger harte Arbeit voller Hadern, Korrigieren, Umschreiben, Zwischendurch-Blockaden, Zweifeln, wieder Umschreiben sind endlich vorbei. Jetzt passt es. 

Wirklich? Nach dem ersten, wohlverdienten Stolz auf das eigene Werk robben sich Zweifel hoch: Vielleicht hätte man diese und jene Szene doch spannender schreiben können, diesen und jenen Dialog lebendiger. Ein paar Worte hätte man auch besser wählen können. Und eventuell …

Ein Motor läuft sich warm, der spätestens ab dem nächsten Tag hochtourig aufdreht – tagelang, wochenlang. Was steckt dahinter? Mir fielen Selbstzweifel, Perfektionismus, mangelnder Selbstwert, Versagensangst, Furcht vor Kontrollverlust ein. Es ist wohl eine Mixtur aus mehrerem, aber egal in welchem Verhältnis die Zutaten gemischt werden, sie führen dazu, dass man seinen Roman nicht loslassen kann.

Wie viele AutorInnen damit kämpfen, vermag ich nicht zu sagen. Auf Ihre persönlichen Erfahrungsberichte bin ich jedenfalls neugierig.

Meinen kann ich nicht beisteuern, weil ich nach dem letzten Satz selten etwas ändere. Das mag überheblich klingen. Aber meine gestrenge Privatlektorin erhält jeweils die neuesten 20 oder 30 DIN A4-Seiten und weist mich auf Unlogiken, unpassende Szenen oder schwer nachvollziehbare Gedankensprünge hin. Was den sprachlichen Feinschliff angeht, so drechsle ich während des Schreibens bisweilen eine halbe oder gar Stunde an einem längeren Satz, bis er 1.000 %ig passt. Und dabei bleibt es.
Ja, im Sprachlichen will ich perfekt sein, ich bin ein Sprachfreak. Und Gott sei Dank hat mir unser aller Chefin seinerzeit ein außergewöhnliches Talent geschenkt.

Loslassen ist eine der schwersten Übungen, die uns in allen Lebensbereichen fordert. Nur wer loslassen kann, wird frei für Neues.

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